Keine Geldanlage kann gleichzeitig maximale Sicherheit und maximale Rendite bieten. Ein wenig Risiko ist also unumgänglich. Doch du fragst dich: Wie viel Risiko kann und möchte ich eingehen? Und: Wie viel Rendite kann ich mit welchem Risiko machen? Wie du das herausfindest, worauf du dabei achten musst und wie du selbst in Krisenphasen rundum zufrieden mit deiner Geldanlage bleibst, erfährst du jetzt. 

Was versteht man eigentlich unter Risiko bei der Geldanlage?

Je mehr Risiko man eingeht, desto höher ist auch die Renditeerwartung. Dies ist zumindest der Fall, wenn man von planbaren Geldanlagen, wie zum Beispiel ETFs, ausgeht. Sagen wir, du möchtest 10.000 € investieren. Nun könnte ein wirtschaftlicher Schaden (= Verlust) eintreten oder, anders ausgedrückt, der erwartete Vorteil (= Gewinn) könnte ausbleiben. Je höher das Risiko ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das, was man sich erhofft, nicht eintritt oder man Verluste macht.

Wie schön wäre es doch, wenn man mit wenig Risiko viel Rendite erzielen könnte, oder? Doch die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Risiko und Rendite sind wie eine Art Tauschgeschäft. Du zahlst mit Risiko und bekommst Rendite. Oder anders gesagt: Nur wenn du Holz (= Risiko) in den Kamin legst, kann das Feuer (= Rendite) sich entfachen. Ohne Holz kein Feuer.

Portfoliotheorie von Prof. Harry M. Markowitz

Den oben beschriebenen Effekt beschreibt Prof. Markowitz auch in seiner mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Theorie. In erster Linie geht es um Diversifikation (= das Streuen von Anlagemöglichkeiten), die, wenn sie ausreichend ist, das Risiko senkt – und zwar bei gleichbleibender Rendite. Du kannst also dein Risiko-Rendite-Verhältnis verbessern, indem du dein Portfolio clever zusammenstellst. Maximale Rendite für keinerlei Risiko wird es hingegen nie geben. Genau das hat Prof. Markowitz in einer Grafik eindrucksvoll dargestellt:

Risikobereitschaft bei der Geldanlage: Portfoliotheorie von Markowitz zeigt Risiko-Rendite-Verhältnis

Bildquelle: Scalable Capital

Es gibt eine Optimalkurve, die hier in Türkis dargestellt ist. Daran wird deutlich: Je mehr Rendite man anstrebt, desto mehr Risiko muss man in Kauf nehmen. Oben links sieht man, dass Folgendes nicht geht, nämlich keinerlei Risiko bei maximaler Rendite. Wenn dir jemand so ein Szenario anbietet, sprich beispielsweise 10 % Rendite ohne dafür Risiko eingehen zu müssen, dann weißt du nun: Irgendetwas ist daran faul! In der Börsenwelt sagt man auch gerne “There is no free lunch”, sprich: „Umsonst gibt es nichts“.

Warum du unbedingt dein eigenes Risikoprofil kennen solltest

Ohne das Wissen um dein eigenes Risikoprofil würdest du, bildlich gesprochen, mit verbundenen Augen einen Marathon laufen. Du magst gut vorbereitet sein und einen guten Trainingsplan gehabt haben, aber du wirst die Hindernisse und Gefahren, die auf der Strecke lauern, nicht erkennen. Praktisch übersetzt heißt das: Ohne das eigene Risikoprofil zu kennen, läufst du Gefahr, deinen Anlageerfolg zu riskieren und dich dabei gleichzeitig ziemlich unwohl zu fühlen. Denn wenn du nicht weißt, was auf dich zu kommt bzw. was du zu erwarten hast, gehst du höchstwahrscheinlich zu viel oder zu wenig Risiko ein. Das kann dazu führen, dass du deine Geldanlage zu früh aufgibst oder dich auf dem Weg zum Ziel unwohl fühlst und kein Auge mehr zudrücken kannst. Daher ist es unabdingbar, dass du dein eigenes Risikoprofil gut kennst. Um nun herauszufinden, welches Risiko für dich persönlich am besten geeignet ist, müssen wir zunächst definieren, welche Arten von Risiko es gibt.

Vier verschiedene Risikoarten

Die meisten Tests zur Ermittlung von Anlegertypen bei der Geldanlage sind rudimentär aufgebaut und beruhen auf dem Prinzip, dass du dich anhand von zwei Sätzen auf einer Skala von A bis E oder 1 bis 5 einordnen sollst. Andere, komplexere Profile fragen dich anhand der konkreten Kapitalmarktsituation, wie tolerant du bezüglich möglicher Verluste bist. Ganz gleich, welche Tests du zu Rate ziehst, sie zielen in der Regel nur auf einen Teilbereich der Risiken ab. Nun fragst du dich vielleicht, welche Teilbereiche? Risiko ist doch Risiko! Nein, eben nicht. Schauen wir uns die verschiedenen Faktoren anhand der folgenden Grafik einmal genauer an:

Risikobereitschaft bei der Geldanlage: Die vier Faktoren der Risikoprofilierung

Bild: Die vier Faktoren des Risikoprofils

Die Ermittlung des Anlegertyps mittels einer Risikoprofilierung sollte aus vier Faktoren bestehen: Risikobereitschaft, Risikowahrnehmung, Risikokapazität und Risikobedarf. Es wird dabei zwischen finanzpsychologischen und finanzmathematischen Dimensionen unterschieden. Die in der Grafik in Grün markierten finanzmathematischen Dimensionen Risikobereitschaft und Risikowahrnehmung sind rational zu ermittelnde Werte.

Risikokapazität

Die Risikokapazität bestimmt die Höhe des Vermögens, die du riskieren kannst, ohne die für dich notwendige Liquidität zu gefährden. Das bedeutet somit auch, dass es wichtig ist, dass du notwendige Rücklagen gebildet hast, und zwar in Form eines Notgroschens, Steuerrücklagen, falls du selbstständig bist, und genügend kurzfristige Liquidität auf der hohen Kante – zum Beispiel für die Familienplanung in zwei Jahren oder das Eigenkapital für die Immobilie. Berücksichtigst du das nicht, kann dies unverhofft zu einem zu hohen Risiko führen, das du eingehst.

Risikobedarf

Der Risikobedarf bestimmt die Höhe des Risikos, das du eingehen müsstest, damit du dein selbst gestecktes Ziel erreichst. Frag dich dafür einfach: Wie viel Rendite muss ich machen, damit ich mein Ziel erreiche? Mit der Antwort geht dann, wie du schon gelernt hast, auch das Risiko einher. Wenn du für deine Altersvorsorge sparst und dafür eine bestimmte Rendite erzielen musst, um deine Rentenlücke decken zu können, dann hast du einen hohen Risikobedarf. Ob es sinnvoll ist, so viel Risiko einzugehen, hängt aber auch davon ab, ob du so viel Risiko überhaupt aushältst.

Und so kommen wir zu der finanzpsychologischen Seite. Die Risikobereitschaft und die Risikowahrnehmung – oben in Blau markiert – fragen diese Seite des Risikos ab.

Risikowahrnehmung

Wenn in einem Risikoprofil nach der Risikowahrnehmung gefragt wird, bewertest du finanzielle Risiken auf der Grundlage von Marktschwankungen, Krisen oder schlechten Nachrichten. Stellen wir mal zwei Situationen gegenüber. Du hast 2015 angefangen zu investieren und bis Dezember 2019 ging es nur bergauf. Jetzt wirst du gefragt, wie du das Risiko wahrnimmst. Was glaubst du, wie lautet vermutlich deine Antwort? „Läuft doch super, das ist ein Kinderspiel! So viel Risiko ist das doch gar nicht.” Nun folgt Situation Nummer 2. Es ist April 2020, Corona ist in vollem Gange, ihr habt gerade ein Kind bekommen, eure Immobilie mit einem großen Kredit finanziert und nun wird dir die Frage gestellt, wie du das Risiko wahrnimmst. Höchstwahrscheinlich würdest du nun sagen: „Puh, das ist ganz schön viel gerade”.

Risikobereitschaft bei der Geldanlage: Schwankungen der Risikowahrnehmung

Bild: Schwankungen des finanzpsychologischen Faktors Risikowahrnehmung je nach Ereignis

Die Konsequenz daraus? Wenn du dich nur von deiner Risikowahrnehmung leiten lassen würdest, würdest du je nach Situation ein anderes Risiko wählen. Nicht gerade eine gute Grundlage für eine stabile, nachhaltige Entscheidung bei der Geldanlage. Nichtsdestotrotz kann man diesen Faktor allerdings zusätzlich in Betracht ziehen.

Risikobereitschaft

Im Gegensatz dazu fragt die Risikobereitschaft deinen Willen ab, Verluste in Kauf zu nehmen, um ein eventuelles positives Resultat – also einen Gewinn – zu erzielen. Deine finanzielle Risikobereitschaft entsteht übrigens schon sehr früh, mit den Hormonen deiner Mutter im Mutterbauch, über die Erfahrung mit dem Taschengeld bis zum Beginn des ersten Ausbildungsweges. Danach ist die Prägung nahezu abgeschlossen. Durch die frühe und tiefe Prägung handelt es sich um ein sehr beständiges Risikomerkmal, das sich auch in schwierigen Marktphasen wenig verändert. Dies verdeutlicht auch die folgende Grafik:

Risikobereitschaft bei der Geldanlage: Risikobereitschaft im Verhältnis zum Verlauf des MSCI World-Index

Bild: Risikobereitschaft im Verhältnis zum Verlauf des MSCI World-Index

Eine wissenschaftliche Studie von FinaMetrica zeigt, dass – wie in der gerade gezeigten Grafik dargestellt – die Risikobereitschaft ein relativ stabiles Persönlichkeitsmerkmal ist. Im Vergleich dazu schwankt der MSCI World-Index und wahrscheinlich auch deine Risikowahrnehmung deutlicher. Diesen Umstand solltest du vor einer Geldanlageentscheidung unbedingt beachten. Damit schließt du eine nur temporär sinnvoll erscheinende Entscheidungsfindung aus – die so oder so auf einem unbeständigen Merkmal basieren würde – und du vermeidest eine spätere Unzufriedenheit mit deiner Anlageentscheidung, weil du eventuell zu wenig Risiko eingegangen bist.

Der Masterplan für das richtige Risiko

Wie bringt man diese verschiedenen Risikoarten nun zusammen? Was schwierig klingt, versuchen wir nun Schritt für Schritt zu klären.

Schritt 1: Ermittlung Risikobereitschaft

Wie du jetzt gelernt hast: Die Risikobereitschaft, richtig ermittelt, spiegelt wider, wie viel Verlust du aushalten kannst. Diese ermittelst du jetzt, völlig unabhängig vom Anlageziel, der Zeit, die du zum Anlegen hast, oder der aktuellen Marktlage. Schau dir mal den folgenden wertvollen Tipp dazu an:

Nun nimmst du dir deinen Score vor, den du erzielt hast, zum Beispiel 55, und trägst ihn in unserer kostenlosen Risikoverteilungs-Excel (rotes Kästchen im Screenshot unten) im Tabellenblatt „Mein Risikoscore” ein. Das sieht dann folgendermaßen aus:

Du kannst dich im Anschluss entscheiden, ob du dem Wert folgen möchtest – was wir empfehlen würden – oder du mehr oder weniger Risiko eingehen möchtest (blaues Kästchen im Screenshot oben).

Schritt 2: Ermittlung der Risikokapazität

Jetzt wechselst du auf das nächste Tabellenblatt „Mein Status Quo” und legst für dich fest, wie hoch dein Notgroschen und deine kurzfristige Liquidität sein sollen.

Alle zusätzlichen Ausgaben der nächsten 48 Monate, die nicht durch deine Einnahmen gedeckt werden, bezeichnen deine kurzfristige Liquidität. Beispielsweise ein Sabbatjahr, Familienplanung oder Eigenkapital für deine Wunschimmobilie. Diese Planung verschafft deiner eigentlichen Geldanlage risikoseitig „Platz“.

Schritt 3: Ermittlung von Anlagezielen und Anlagedauer

Nun überlegst du dir, was mögliche Ziele bzw. Wünsche für deine Geldanlage sind. Das kann zum Beispiel Eigenkapital für die Immobilie, Sparen für die Ausbildung der Kinder oder die eigene Altersvorsorge sein. Wichtig hierbei: Trage mit ein, bis wann du das jeweilige Ziel erreichen möchtest.

Schritt 4: Unterscheidung von risikoarmen und risikoreichen Anlagen

Damit du deinen Risiko-Status-Quo ermitteln kannst, trägst du alle deine Vermögenswerte, bis auf das Geld, das du investieren möchtest, ein und bestimmst, wie risikoarm und risikoreich sie sind. Gleichzeitig kannst du auch bestimmen, ob manche Werte davon, obwohl du sie eingetragen hast, nicht für die Bewertung herangezogen werden sollen, wie zum Beispiel eine mögliche Schenkung oder der Notgroschen. Hier eine kleine Orientierung, je nach Vermögenswerten:

Risikobereitschaft bei der Geldanlage: Aufteilung von Vermögenswerten in risikoreiche und risikoarme Werte

Jetzt weißt du genau, wie viele risikoreiche und wie viel risikoarme Vermögenswerte du hast. Gleichzeitig gleichen wir diese mit deiner Risikobereitschaft ab.

Schritt 5: Verteilung deines Geldes auf Anlageziele

Im Tabellenblatt „Nach Umsetzung” können wir nun deine geplante Geldanlage(n) eintragen. Vorher übernimmst du all das, was du schon im Tabellenblatt „Dein Status Quo” eingetragen hast. Jetzt verteilst du das Geld, das du investieren möchtest, auf deine Anlageziele. Überlege dir also, wie viel Geld du für welchen Wunsch verwenden möchtest, auch unter Berücksichtigung, wie viel Geld du für dein Ziel brauchst, beispielsweise das Eigenkapital für eine Immobilie. Schreibe auch die Anlagedauer Pi mal Daumen hinzu, denn diese Angaben benötigen wir zu einem späteren Zeitpunkt noch.

Schritt 6: Matching von mathematischen und psychologischen Risikoarten

Jetzt kannst du mit der Excel etwas spielen und experimentieren, und zwar indem du beim Faktor „risikoarm” verschiedene Werte einträgst und dann schaust, wie er sich auf dein gesamtes Risiko auswirkt. So kannst du deine geplante Geldanlage mit deinen bisherigen Vermögenswerten und deiner geplanten Geldanlage risikoseitig matchen.

Schritt 7: Abwägung für weniger Risiko unter Berücksichtigung der Anlagedauer

Ist das Ergebnis der Risikoverteilung, dass du 60 % risikoreich investieren könntest, du gleichzeitig aber nur einen kurzen Anlagezeitraum von zum Beispiel vier Jahren hast, dann solltest du das Risiko für diesen Teil deiner Anlage reduzieren.

Schritt 8: Abwägungen für mehr Risiko unter Berücksichtigung der Anlagedauer und des Risikobedarfs

Gerade mit dem Ziel der Altersvorsorge ergeben sich häufig längere Anlagezeiträume. Ergibt sich aus unserer Risikoverteilungsmethode, dass du nicht mehr als 60 % ins Risiko gehen solltest, du gleichzeitig aber noch 30 Jahre für das Altersvorsorgeziel sparen kannst, könntest du dir überlegen, mehr Risiko einzugehen. Gleichzeitig kann es natürlich auch vonnöten sein, dass du mehr Risiko eingehen musst, weil du sonst deine Rentenlücke nicht decken kannst. In beiden Fällen solltest du dir darüber im Klaren sein, dass Crash-Phasen dann emotional sehr aufwühlend und belastend für dich sein können, da du deine eigentliche Risikobereitschaft überschreitest.

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Fazit

Was für eine perfekte Welt wäre es, wenn wir ohne Risiko viel Rendite erzielen könnten. Doch es ist anders: Wir zahlen mit Risiko und bekommen dafür Rendite. Nach diesem Artikel kennst du dich selbst und die Ziele, die du mit deiner Geldanlage verfolgst, eindeutig besser. Nun weißt du, wie viel Verlust du aushalten kannst und wie dein ganz persönlicher Masterplan für deine persönliche Risikobereitschaft aussieht.

Dieser Blog-Artikel wurde am 05.10.2022 aktualisiert.